Mi., 5.2.2020, 19.00 Uhr, mit Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann, Göttingen
Tod = Hirntod?
Zwei Vorträge im Begleitprogramm zur Sonderausstellung scheintot
5.2.2020: Die Perspektive von Medizingeschichte und Medizinethik | Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Göttingen
12.2.2020: Die Perspektive des klinisch tätigen Neurologen | Prof. Dr. Frank Erbguth, Nürnberg / Salzburg
Einlass 18.00 Uhr (mit Möglichkeit zur Besichtigung der Sonderausstellung), Beginn 19.00 Uhr, Eintritt frei
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Die aktuelle Ausstellung des Deutschen Medizinhistorischen Museums handelt von der alten Angst des Menschen, lebendig begraben zu werden. Im 18. Jahrhundert prägte man dafür einen neuen Begriff: „Scheintod". Die Angst vor dem Scheintod war damals nicht unberechtigt. Erst seit der Erfindung des EKG-Gerätes kann sicher nachgewiesen werden, ob ein Herz noch schlägt oder nicht. Die moderne Medizintechnik hat dem „alten" Scheintod damit den Stachel genommen. Gleichzeitig entstand durch die Möglichkeiten der Intensivmedizin im 20. Jahrhundert eine neue Zwischenform zwischen Leben und Tod: Menschen, bei denen keine Gehirnfunktion mehr nachweisbar ist und bei denen das Herz noch schlägt, können durch künstliche Beatmung am Leben gehalten werden. Auch dafür wurde ein neuer Begriff geschaffen: „Hirntod". 1968 wurde durch Juristen und Ärzte festgelegt, dass der Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen sei. Einem hirntoten Menschen dürfen Organe entnommen werden, sofern die Einwilligung zur Organspende vorliegt. Doch geht die Gleichung „Tod = Hirntod” auf? Oder ist der Hirntod der „Scheintod der Moderne”? Diese Frage wird in den beiden Vorträgen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und kontrovers diskutiert.
Den Anfang macht am 5.2. die Medizinhistorikerin und Medizinethikerin Professor Claudia Wiesemann (Universität Göttingen). Es ist eine alte Angst des Menschen, lebend begraben zu werden. Was ist überhaupt Leben, was ist Tod? Das war eine immer wieder wissenschaftlich kontrovers diskutierte Frage. Heute wird der Mensch als tot angesehen, wenn der Hirntod festgestellt wurde. Auch das ist eine nicht leicht nachvollziehbare Diagnose. In ihrem Vortrag zeichnet Wiesemann die Geschichte der Todesfeststellung nach. Es soll dabei nicht nur von berühmten Ärzten die Rede sein, sondern auch von Heidi Brühl und Gina Lollobridgida.
Zur Referentin:
Claudia Wiesemann ist Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Sie hat Medizin, Philosophie und Geschichte studiert und in Medizingeschichte an der Universität Münster promoviert. In der Zeit von 1985-1988 arbeitete sie als Assistenzärztin in der Kardiologie, Pulmologie und Intensivmedizin. 1990-1998 war sie Assistentin bzw. Oberassistentin am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg, wo sie sich 1995 für Geschichte und Ethik der Medizin habilitierte. Claudia Wiesemann war von 2010 bis 2016 Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) und von 2002-2012 Präsidentin der Akademie für Ethik in der Medizin e. V. Bis 2007 amtierte sie als Secretary des Wissenschaftlichen Beirats der European Association for the History of Medicine and Health.