In den 1970er Jahren strampelte und hüpfte sich eine ganze Generation für den Alltag fit. So verwundert es nicht, dass auch der aus München stammende Bigband-Leader Max Greger im Jahre 1973 auf dem Label POLYDOR eine Langspielplatte mit „Trimm-Schlagern“ einspielte, die den Käufer zu mehr körperlicher Fitness anregen sollte. Auf dieser LP mit dem Titel „Trimm und tanz dich fit mit Max Greger“ wurde den Wirtschaftswunderbäuchen versprochen, dass sie sich mit Hilfe der Übungen wieder „fit“ trimmen könnten. Zum Erreichen dieses Zieles wurde ein knallbunt gestalteter „Trimm-Kalender“ beigelegt, in den die absolvierten Übungen Tag für Tag, 52 Wochen lang eingetragen werden konnten. Die Platte avancierte zum Überraschungserfolg, sodass das Jahr darauf eine weitere produziert wurde – dieses Mal mit dem Versprechen, dass man sich sogar „top-fit“ trimmen und tanzen könnten. Das Konzept der beiden Platten war nahezu dasselbe: Auf der ersten Seite der LPs wurden im „600-Sekunden-Fitness-Programm“ zunächst die schlaffen Muskeln gelockert und im anschließenden „300-Sekunden-Herz-Programm“ Herz und Kreislauf in Schwung gebracht. Auf der zweiten Plattenseite wurden schließlich der vom langen Autofahren ermattete oder vom Büroschlaf erschlaffte Körper durch ein musikalisches Potpourri im charakteristischen Big Band-Sound wieder fit gemacht, denn „Sitze nicht freiwillig lebenslänglich, ohne dazu verurteilt zu sein“, so Max Greger.
Gesunde Allianzen: Die „Trimm-Aktionen“
Beim Durchlesen der Informationen auf der Rückseite des Covers wird indessen deutlich, dass hinter dem sportlichen Bewegungsprogramm nicht Max Greger selbst steckte, sondern ein Team von Gesundheitsexpertinnen und -experten. Denn Greger lieferte nur den Sound und die gesprochenen Anweisungen für die Trainingseinheiten. Die Übungen selbst wurden vom damaligen Direktor des Deutschen Zentrums für Sportmedizin, von einer diplomierten Krankengymnastin sowie vom Arzt und Moderator der seinerzeit äußerst beliebten Fernsehsendung „Gesundheitsmagazin Praxis“ (ZDF) erarbeitet. Die Bewegungen waren bewusst auf breite Bevölkerungsschichten zugeschnitten. Die laut Cover „gesündeste Platte des Jahres“ unterschied sich daher nicht nur durch die flotte Musik im swingenden Bigband-Sound von vergleichbaren Aufnahmen aus den 1960er Jahren, bei denen die Gymnastikübungen noch im schulmeisterlichen Ton und mit wenig mitreißender Klavierbegleitung auf Vinyl gesprochen wurden. Neu war vielmehr auch die enge Zusammenarbeit eines überregionalen Sportverbandes mit der Sport- und Präventivmedizin, mit öffentlich-rechtlichen Sendern, privaten Medien und Sponsoren. Denn die Trimm-Schallplatte entstand im Kontext einer Förderstrategie des Deutschen Sportbundes (DSB), um seine im Jahre 1970 initiierte „Trimm-Aktion“ bundesweit bekannt zu machen und um möglichst viele Menschen zu sportlichen Aktivitäten zu bewegen.
Körperliche Fitness als Massenphänomen
Regelmäßige körperliche Betätigung begann erst in den 1960er Jahren zu einem Massenphänomen zu werden, von dem nach und nach nahezu alle Alters- und Geschlechtergruppen ergriffen wurden. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch mehr Freizeit sowie durch steigende Einkommen, was die Anschaffung teurer Sportgeräte für den Freizeitsport erlaubte. Zu diesen allgemeinen Faktoren traten Untersuchungen des sich in diesem Zeitraum akademisierenden Faches der Sozial- und Präventivmedizin, das den merklichen Anstieg an Zivilisationskrankheiten mit einem Mangel an Bewegung in Verbindung brachte. Körperliche Aktivität wurde als ein geeignetes Mittel zur Verhütung von Erkrankungen propagiert, deren Auslöser man in einer sich wandelnden Arbeitswelt (Automatisierung) gefunden zu haben schien.
Wie aber sollte die Bevölkerung zu mehr körperlicher Bewegung angeregt werden? In den 1960er Jahren war regelmäßige sportliche Betätigung immer noch eine Domäne von Jugendlichen und jungen Erwachsenen überwiegend männlichen Geschlechts. Aufgrund der spezifischen Infrastruktur des vereinsmäßig betriebenen Sports hatten viele Bevölkerungsgruppen (Ältere, Frauen) nur beschränkten Zugang zu derartigen Einrichtungen. Zudem bot die starke Ausrichtung der Sportvereine auf Wettkämpfe und Leistungssteigerung für die breite Masse nur wenig Anreiz. Deren Bedürfnis an Bewegung orientierte sich eher an niederschwelligen Erholungsangeboten und spielerisch-sportlicher Betätigung. Um also das Ziel der körperlichen Fitness für breite Bevölkerungsschichten attraktiv zu machen, wurden „Sport für Alle“-Kampagnen ins Leben gerufen und Aktionen mit großer Öffentlichkeitswirkung veranstaltet, etwa die Vergabe von Sportabzeichen.
Die vom DSB im Jahre 1970 gestarteten „Trimm-Aktionen“, die in mehreren, jeweils im vierjährigen Rhythmus wechselnden Themenkampagnen bis ins Jahr 1994 liefen, entwickelten sich dabei zur größten Kampagne zur Bewegungsförderung in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings brachte die Aerobic-Welle, die ab den frühen 1980er Jahren aus den USA nach Europa hinüber schwappte, neuen Schwung in das bis dahin stark auf Gymnastikübungen fokussierte Medium “Fitness-Schallplatte“.
Literatur:
Verena Mörath: Die Trimm-Aktionen des Deutschen Sportbundes zur Bewegungs- und Sportförderung in der BRD 1970 bis 1994. Berlin 2005.
Dorothy Porter: Health, Civilization and the State. A History of Public Health from Ancient to Modern Times. London 1999.
Christian Wopp: Entwicklungen und Perspektiven des Freizeitsports (= Edition Sport & Wissenschaft 20). Aachen 1995.
Autor:
Dr. Alois Unterkircher