Die Vielfalt der Sammlungsobjekte bietet es an, bei ihrer Bearbeitung mit Fachwissenschaftlern aus anderen Forschungsgebieten zu kooperieren. Für das Spektroskop konnte der Physik- und Wissenschaftshistoriker Dr. Jochen Hennig (Humboldt-Universität zu Berlin) als Gastautor gewonnen werden.
Ein Spektralapparat lässt in seinem vergleichsweise schlichten Aufbau mit drei Fernrohrtuben um ein Prisma auf den ersten Blick erst einmal nicht erahnen, wie spektakulär und weitreichend die Ergebnisse spektroskopischer Forschungen im 19. Jahrhundert waren.
Das Kollimatorrohr (Foto links unten) ermöglicht es, das Licht beispielsweise einer Flamme oder der Sonne auf das große Prisma im Zentrum des Geräts zu lenken, wo das Licht in sein Spektrum zerlegt wird. Das Spektrum lässt sich durch ein Beobachtungsfernrohr (oben) beobachten. Zudem kann eine Skala durch die Beleuchtung mit einer Flamme in das Sehfeld projiziert werden (Skalenfernrohr recht), um bestimmte Bereiche des Spektrums quantifizieren zu können.
Den Durchbruch der Spektroskopie als Analysemethode, die zur weiten Verwendung derartiger Spektralapparate führte, hatten der Physiker Gustav Kirchhoff und der Chemiker Robert Bunsen um 1860 in Heidelberg erzielt. Schon 200 Jahre zuvor hatte bereits Issac Newton mit Prismen und der Zerlegung des Sonnenlichts in ein Spektrum experimentiert; zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckte der englische Arzt William Hyde Wollaston dunkle Linien im Sonnenspektrum und deutete sie als natürliche Trennung der Farben. Auch der bayerische Optiker und Instrumentenbauer Josef Fraunhofer beobachtete sie unabhängig davon und konnte auf Grund seiner hervorragenden optischen Komponenten 574 dunkle Linien ausmachen. Sie werden heute als Fraunhofersche Linien bezeichnet. Ohne sie wissenschaftlich erklären zu können, nutzte er sie in der Folgezeit als Markierungen, um Licht gleicher Farbe – und damit gleicher Wellenlänge – für seinen optischen Instrumentenbau reproduzieren zu können. Der Nutzen war für ihn rein technischer Art.
Bunsen und Kirchhoff konnten durch ihre Experimente mit sehr reinen Proben hingegen die Spektren deuten und sie damit auch wissenschaftlich nutzbar machen, da einzelne Linien eindeutig einzelnen Elementen zuzurechnen sind. Dies galt zunächst für Spektren gefärbter Flammen, in denen zum Beispiel eine sehr auffällige gelbe Linie, die bereits Frauhofer mit D bezeichnet hatte, sich dem Natrium zuordnen ließ. Immer, wenn ein Flammenspektrum die gelbe Linie zeigte, stand fest, dass sich Natrium in der Probe befand. Die Spektroskopie eignete sich damit zur hoch empfindlichen Analyse. Kirchhoff und Bunsen konnten bereits in der Anfangszeit ihrer spektroskopischen Experimente die Elemente Rubidium und Cäsium entdecken – die Namen der Elemente zeugen noch heute von dem Entdeckungszusammenhang: Rubidus (dunkelstes Rot) als auch Caesius (Blau des Himmels) beschreiben jeweils die Erscheinungen der Spektren. Kirchhoff konnte nach den Flammenspektren – bestehend aus hellen Linien – auch das Sonnenspektrum – bestehend aus einem Farbband mit den dunklen Fraunhoferschen Linien – deuten. Während die Flammenspektren Emissionsspektren sind, handelt es sich beim Sonnenspektrum um ein Absorptionsspektrum. Die Bestandteile der Sonnenatmosphäre absorbieren nämlich das Licht aus dem Inneren der Sonne, das ursprünglich keine dunklen Linien aufweist. Die dunkle Linie D im Sonnenspektrum, die sich an der gleichen Stelle im Spektrum befindet wie die helle Linie einer Natriumflame, lässt damit darauf schließen, dass sich Natrium in der Sonnenatmosphäre befindet – es war eine Sensation sondergleichen im 19. Jahrhundert, die Bestandteile der Sonne und kurze Zeit später auch der Sterne analysieren zu können!
Kirchhoff und Bunsen besaßen zwar hervorragende Kompetenzen im Experimentieren und der theoretischen Deutung, für die Etablierung der Methode bedurfte es jedoch auch der Verbreitung von Instrumenten. Dies gelang ihnen durch ihre Zusammenarbeit mit dem Münchner Instrumentenbauer Carl August Steinheil. In gemeinsamen Experimenten kamen sie zum Bau spezialisierter Apparate für die Astronomie und die chemische Analyse. Zudem konstruierte Steinheil Universalspektroskope, die dann von weiteren Instrumentenbauern adaptiert wurden. Das Ingolstädter Spektroskop, datiert auf das Jahr 1879, ist dazu zu zählen. Es zeichnete sich durch einfache Bedienbarkeit aus. Zudem konnten durch ein kleines Prisma am Kollimatorrohr (links im Foto) die Spektren zweier Lichtquellen gleichzeitig übereinander betrachtet werden – ebenfalls eine Adaption von Steinheils Spektroskopen.
Auch die Medizin wandte sich der Spektroskopie zu und untersuchte beispielsweise Blutspektren. Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin und seine Sauerstoffbeladung konnten untersucht werden. Die Spektroskopie wurde für die Medizin interessant, ein universeller Spektralapparat mitunter zu einem medizinischen Instrument.
Dr. Jochen Hennig
Humboldt-Universität zu Berlin
Sammlungsbeauftragter des Präsidiums
Ziegelstraße 13c
10099 Berlin