Herz-Lungen-Maschine

1955 führte man an der Mayo-Klinik in Rochester, USA, erstmals Operationen am offenen Herzen durch. Dafür war ein Gerät entwickelt worden, das während des Eingriffs die Funktionen von Herz und Lunge übernahm: der „Mayo-Gibbon-Pumpoxygenator”. Diese erste Herz-Lungen-Maschine bestand aus einem schweren Pumpentisch mit Roller- bzw. Debakey-Pumpen. Bei Stromausfall konnte die Pumpfunktion auf Handbetrieb umgestellt werden. Auf dem Pumpentisch wurden die blutführenden Kunststoffteile aufgesetzt, die das Gerät mit dem Patientenkreislauf und dem auf dem Pumpentisch angebrachten Oxygenator verbanden, der nach dem Gitterfilmprinzip arbeitete. Das Blut wurde auf dem Weg durch die Herz-Lungen-Maschine herabgekühlt, um eine intraoperative Hypothermie zu erzielen. Das erste nach Europa ausgelieferte Exemplar des Mayo-Gibbon-Pumpoxygenators stand in der Düsseldorfer Chirurgischen Klinik. Heute steht es im Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt

Die Düsseldorfer Arbeitsgruppe um Professor Ernst Derra (1901–1979) berichtete 1959 auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in München über erste eigene Erfahrungen mit der neuen Methode. Bevor die 220.000 DM teure Maschine am Menschen eingesetzt wurde, führte das Operationsteam 16 Perfusionen an Hunden durch, um sich in der Handhabung der neuen Technik einzuüben. Denn entgegen anders lautender, damals zirkulierender Meinungen arbeitete die Maschine nicht vollautomatisch. Daher betonte der Düsseldorfer Referent in seiner Schlussbemerkung: „Auch die Mayo-Maschine muss von Menschen geführt werden. Das harmonische Zusammenspiel eines aufeinander abgestimmten Teams ist für die erfolgreiche klinische Arbeit ebenso wichtig wie eine erstklassige apparative Ausstattung.”

Am 21. Februar 1959 kam die Herz-Lungen-Maschine in Düsseldorf erstmals am Menschen zum Einsatz. In den darauffolgenden 5 Wochen wurden insgesamt 8 Kranke im Alter zwischen 4 und 23 Jahren wegen eines Ventrikelseptumdefekts oder einer Fallot-Tetralogie operiert, wobei der künstliche Herzstillstand zwischen 9 und 31 Minuten aufrecht erhalten wurde. Zwei der Patienten verstarben postoperativ. In den nächsten Jahren folgten weitere 648 Operationen.

Doch die technische Entwicklung blieb nicht stehen. Die massive, schwer zu reinigende Maschine wurde durch modulare, mit Einwegelementen ausgestattete Systeme abgelöst, und so wurde das einstige Glanzstück ausgemustert. Durch Vermittlung von Professor Hans Schadewaldt (1923–2009), Leiter des Düsseldorfer Instituts für Geschichte der Medizin und Mitglied der Förderergesellschaft des Ingolstädter Museums, gelangte die Maschine 1973 zunächst als Dauerleihgabe in das Deutsche Medizinhistorische Museum, dem sie einige Jahre später dann endgültig als Geschenk überlassen wurde.

Hier, im Museum, gewinnt die vom technischen Fortschritt überholte Herz-Lungen-Maschine eine neue Bedeutung. Als kostbares Dokument für die zeitgenössische Entwicklung der Medizin zählt sie zu den Glanzstücken des Hauses. Sie führt das enorme Tempo der medizinischen Innovationen vor Augen und ist gleichzeitig eine stumme Mahnung, nicht nur kunstvolle Objekte oder historische Gerätschaften zu sammeln, sondern gerade auch die aktuellen medizintechnischen Entwicklungen zu verfolgen und zu dokumentieren.

 

Literatur:

B. Löhr: Über die Arbeitsweise des Mayo-Gibbon-Pumpoxygenerators. In: Langenbecks Archiv für Chirurgie 292 (1959), S. 701–704


Autorin:

Prof. Dr. Marion Ruisinger

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