AIDS-Memorial-Quilt

Zu Beginn der 1980er Jahre häuften sich Meldungen über eine rätselhafte Krankheit. Was anfänglich als Problem einiger Randgruppen abgetan wurde, entwickelte sich rasch zu einer ernsthaften Gesundheitskrise. AIDS und HIV, wie die Krankheit und das sie auslösende Virus schließlich genannt wurden, stellten Medizin, Politik und Zivilgesellschaft vor ungeahnte Herausforderungen. Weltweit infizierten sich tausende Menschen, die meisten verstarben angesichts fehlender Therapien innerhalb kürzester Zeit.

In dieser bedrohlichen Lage begann Cleve Jones, ein Schwulenaktivist aus San Francisco, ein Erinnerungstuch in der Tradition der „Quilts“ für seinen verstorbenen Partner herzustellen. Solche gepatchten und gesteppten Decken besitzen in England und Nordamerika eine lange Tradition. Sie wurden für die verschiedensten Anlässe angefertigt. Neben Hochzeits- und Freundschaftsquilts nähte man auch sogenannte Memorial Quilts für Verstorbene, in die häufig Stoffstücke aus deren getragener Kleidung eingearbeitet wurden. An diese Tradition knüpfte Jones mit seinem liebevoll gestalteten AIDS-Quilt an. Doch Jones wollte die persönliche Trauer mit einer größeren politischen Aktion verknüpfen. Also rief er alle, die einen geliebten Menschen an AIDS verloren hatten, zum Nähen ähnlicher Gedenktücher auf. Die einzelnen Tücher sollten miteinander zu größeren Blöcken verbunden und an einem symbolträchtigen Ort öffentlich ausgelegt werden.

1987 konnte Jones seine Vision umsetzen. Hunderte von Quilts wurden auf der National Mall in Washington D.C. ausgelegt und machten die Dimension der AIDS-Krise in den USA für viele erst begreifbar. In der Folge wurde der AIDS Memorial Quilt zum Symbol des Gedenkens an die Opfer dieser heimtückischen Krankheit geworden – ein textiles Mahnmal gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit HIV und AIDS.

Bei der ersten Entfaltung des Quilts in Washington half auch Gart Zeebregts aus Amsterdam als Freiwilliger mit. Er war tief beeindruckt von der Symbolkraft dieser Aktion und regte nach seiner Rückkehr ähnliche Projekte in seiner Heimatstadt und in Europa an. Anlässlich eines Gedenkmarsches in Amsterdam zum Welt-AIDS-Tag 1988 konnten die ersten holländischen Gedenktücher gezeigt werden. Eine Ausstellung von Quilts aus aller Welt bei der 8. Welt-AIDS-Konferenz in Amsterdam 1992 verbreitete diese Form des Gedenkens noch weiter. Die Zahl der holländischen Quilts nahm rasch zu. Daraufhin gründete sich das NAMENproject Nederland, das für die Dokumentation, die Pflege und das Zeigen der Quilts verantwortlich war. Insgesamt kamen 30 Blöcke mit rund 240 einzelnen Gedenktüchern zusammen.

In den letzten Jahren bemühten man sich seitens des Projekts, den niederländischen AIDS Memorial Quilt als nationales Kulturerbe für nachfolgende Generationen zu bewahren. Als das Problem einer langfristigen Lagerung der konservatorisch sehr anspruchsvollen Textilien immer drängender wurde, bot man Museen im In- und Ausland die einzelnen Blöcke an – darunter auch dem Deutschen Medizinhistorischen Museum. Im Sommer dieses Jahres wurde der „Quiltblock 21“ schließlich in die Sammlung übernommen. Das allein schon wegen seiner Dimension von ca. 4 x 4 Metern beindruckende Textil steht noch bis 13. März in Zentrum der Ausstellung „In the Name of Love! AIDS-Gedenktücher als Zeichen von Trauer und Protest“.

 

Literatur:
Cleve Jones: Stitching a Revolution. The Making of an Activist. New York 2000.

Sebastian Haus-Rybicki: Eine Seuche regieren. AIDS-Prävention in der Bundesrepublik 1981-1995. Bielefeld 2021.

Alois Unterkircher (Hg.), In the Name of Love! AIDS-Gedenktücher als Zeichen von Trauer und Protest (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt, 47). Ingolstadt 2021.

Autor:
Dr. Alois Unterkircher

PDF der Objektgeschichte im Bayerischen Ärzteblatt

 

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