Stift-Pessar

In einem kleinen schwarzen Etui, das mit Samt und Seide ausgekleidet ist, befindet sich ein sogenanntes Stift-Pessar aus Silber. Dieses außergewöhnliche Verhütungsmittel stammt aus den Jahren um 1900.

Der Aufdruck im Deckel lautet „Dr. Struppeck// Heiden (Appenzell)“. Die Recherche nach dem Namen Dr. Struppeck brachte keine Ergebnisse. Es ist daher durchaus denkbar, dass hier ein Arzt erfunden wurde, um einen professionellen medizinischen Anspruch vorzugeben und das Produkt dadurch besser vermarkten zu können.

Der Gynäkologe und Lehrbuchautor Erich Opitz empfahl, das Pessar „von sachverständiger Hand“, also durch einen Arzt, einsetzen zu lassen. Damit wollte er vor allem die korrekte Lage gewährleisten. Allerdings waren das Einsetzen und das Tragen eines solchen Pessars für die betreffenden Frauen sehr unangenehm. Seine Anwendungszeit dürfte daher wenige Stunden nicht überschritten haben. Vor diesem Hintergrund ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Einsetzen immer mit einem Arztbesuch verbunden war. Die Frauen haben das Pessar wohl in den meisten Fällen selbst eingesetzt. Da die Platte des Pessars mittig ein kleines Loch aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass dort ein nicht mehr erhaltener Einführungsstab eingesteckt werden konnte, der das Einsetzen erleichterte.

Bei richtiger Handhabung wurde das Pessar in den Zervikalkanal eingeführt, bis es mit der scheibenförmigen Kappe auf der Portio auflag. Der Stift ragte dann proximal bis in den Uterus hinein. Deshalb wird das Stift-Pessar auch als Intrauterinpessar bezeichnet. Durch eine Verdickung am Stift wurde das Zurückrutschen aus dem Uterus verhindert. Das Pessar konnte also auf zwei Arten wirken: Im Idealfall sollte die Kappe die Portio so abdichten, dass die Spermien diese nicht durchdringen konnten. Wenn Spermien die Barriere doch durchdrungen hatten, sollte der Stift das Einnisten des Eies verhindern.

Die Verwendung von Stift-Pessaren war nicht ganz unproblematisch: Multipara konnten die Pessare überhaupt nicht verwenden, da sie bei ihnen durch die Dilatation des Zervikalkanals nicht in der korrekten Position geblieben wären. Aber auch bei solchen Frauen, bei denen die Pessare eingesetzt werden konnten, war der Erfolg des Verhütungsmittels nicht gesichert. Die Abdichtung der Portio hinderte die Spermien nämlich nicht zuverlässig daran, in den Uterus zu gelangen.

Darüber hinaus konnten die Stift-Pessare zu Verletzungen der Gebärmutter, zu Infektionen, Sepsis und sogar zum Tod führen. Ein Grund dafür ist in der künstlichen Verbindung zwischen der keimbesiedelten Vagina und der normalerweise keimfreien Uterushöhle durch den eingeführten Stift zu sehen, durch welchen sich die Keime auch im Uterus ausbreiten konnten. Ein weiterer Grund war die bereits zuvor erwähnte laienhafte Handhabung der Pessare in der häuslichen Umgebung, worin ein hohes Risiko der Keimverschleppung bestand. Aufgrund dieser Komplikationen hat etwa die Berliner Medizinische Gesellschaft im Jahr 1935 das Einsetzen von Intrauterinpessaren durch Ärzte als fahrlässig bezeichnet: Dennoch wurden Stift-Pessare bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts angewendet.

Auch Scheidenspülapparate oder „Mutterduschen“ waren ein beliebtes Verhütungsmittel. Entsprechend häufig sind diese auch in der Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums vorhanden. Es könnte durchaus sein, dass Stift-Pessare als empfängnisverhütendes Mittel in Kombination mit Scheidenspülungen verwendet wurden, um die Wirkung der Pessare zu erhöhen. Hierzu gebrauchte man unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr lauwarmes Wasser, das oft mit keimtötenden Zusätzen wie Alaun, Essig oder sulfathaltigen Produkten angereichert wurde, um die Spermien „unschädlich“ zu machen. Zusätzlich brachte die Scheidenspülung mit ihren aseptischen Zusätzen eine gewisse Reinigung des Stift-Pessars vor dessen Entfernung mit sich.

 

Autorin:
Greta Butuci, M.A.

PDF der Objektgeschichte im Bayerischen Ärzteblatt

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