Warenverkehr

Zeugnis der Stadt Nürnberg für den Handel in Pestzeiten  |  Dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen notwendigen Waren in Seuchenzeiten besonderer Regelungen bedarf, erleben wir gerade am Beispiel von Covid-19. Die Ansteckungsgefahr, die von den Waren und den sie begleitenden Menschen ausgeht, muss so weit wie möglich verringert werden, ohne den Warenfluss ganz zu stoppen. Vor dieser Herausforderung sahen sich die Regierungen Europas auch vor 300 Jahren, als die Pest von einem Schiff auf die Stadt Marseille übersprang und sich weiter über Südfrankreich ausbreitete. Erst 1722 ging diese letzte Pestepidemie auf dem europäischen Festland zu Ende. Solange die Pest herrschte, mussten Händler nachweisen können, dass sie und ihre Waren aus einer „gesunden“ Stadt kamen.

Dieses Schreiben aus der Handschriftensammlung des Museums ist ein Beispiel für solch ein Attest. Es wurde am 28. April 1722 in der Freien Reichsstadt Nürnberg für deren Bürger Georg Erasmus Wagner ausgestellt, der Handelsware auf den Weg nach Italien bringen wollte. In dem lateinischen Text bestätigt der Rat der Stadt Nürnberg, dass die Luft in Nürnberg und Umgebung „durch Gottes Güte und Milde sauber und rein sei, und frei von jeglichem Verdacht auf Ansteckungsstoffe“. Daran schließt sich eine Auflistung der Warengebinde mit ihrer jeweiligen Destination an, teilweise auch mit Angaben zum Inhalt. Wenn es sich um Stoffe handelte, wurde vermerkt, wo sie gewebt und wann sie erworben wurden. Dahinter verbarg sich vermutlich die Erfahrung, dass die Pest durch Textilien übertragen werden konnte. So durften in Nürnberg zu Seuchenzeiten auch keine gebrauchten Wäschestücke auf dem Markt verkauft werden – insbesondere nicht, wenn sie von Pestopfern stammten. Die kryptischen Zeichen, die neben jedem Warenstück vermerkt sind, dienten zu seiner eindeutigen Kennzeichnung und bargen auch eine gewisse Fälschungssicherheit. Dazu trug auch das Papiersiegel der Stadt Nürnberg bei, mit dem das Dokument ausgefertigt wurde.

Autorin:
Prof. Dr. Marion Ruisinger
Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt
www.dmm-ingolstadt.de

geschrieben im Homeoffice am 20.3.2020

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